Happy Birthday Menuhin School

The Yehudi Menuhin School in Stoke d’Abernon in der Grafschaft Surrey im Süden Englands. (Foto: ©Menuhin Center Saanen)

Die Menuhin School zu Gast am Festival

Die Yehudi Menuhin School in Stoke D’Abernon feiert dieses Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass war ihr Schulorchester wieder einmal zu Gast am hiesigen Festival.
ÇETIN KÖKSAL
Unter der Leitung des Dirigenten und Bratschisten Maxim Rysanov trugen die jungen Musiker des Menuhin School Orchestras einen bunten
Strauss an Werken aus ganz unterschiedlichen Epochen vor. Eröffnet wurde der Konzertabend im Temple de Château-d’Oex mit dem 6.
Brandenburgischen Konzert von Johann Sebastian Bach, welches der Bratsche eine «Hauptrolle» zugesteht. Über Edward Elgar, Béla Bartók, Benjamin Britten, Henryk Górecki, Myroslaw Skoryk, Alexey Shor und Dobrinka Tabakova führte die Reise allmählich in die Gegenwart.

«Du bist niemals reich, wenn dein Nachbar arm ist …»
Yehudi Menuhin wusste das und lebte insbesondere bei der Kinder- und Jugendförderung nach diesem Zitat eines berühmten Bankers aus dem Orient. Auch die Yehudi Menuhin School fusst auf dem Gedanken der Chancengleichheit. Wie der aktuelle Musikdirektor der Schule, Ashley Wass, ausführte, hat jedes musikalische Talent mit Entwicklungspotenzial die Möglichkeit, sich für eine Aufnahme an der Menuhin-Schule zu bewerben. Dabei spielen die finanziellen Möglichkeiten der Eltern der 8bis 19-jährigen Schüler keine Rolle. Die knapp 90
Kinder und Jugendlichen erhalten bei Bedarf Stipendien und werden breit gefächert unterrichtet, wobei der Musik natürlich ein besonderes Gewicht zufällt. Aus vielen Weltgegenden kommen diese Nachwuchstalente nach Surrey, wo sie sich dem gemeinsamen Nenner Musik widmen. Sie leben, lernen und spielen zusammen und dabei überstrahlt die Hingabe für ihre Leidenschaft die mannigfachen Unterschiede. Ein Lebensmodell, das gerade in der heutigen Zeit Vorbildcharakter haben könnte …

Frische vs. Gesetztheit
Jugendorchester sind fast immer wie ein frischer, sprudelnder Wildbach, der sich seinen Weg ungeachtet der Hindernisse bahnt. Einmal ein bisschen ungestüm nach links oder mutig nach rechts, neugierig, forsch, ohne vorsichtige Zurückhaltung oder eventuelle Bedenken. Probieren geht über studieren, was oftmals klappt und manchmal nicht. Egal, um eine Erfahrung reicher geht es voller Lebensdrang weiter vorwärts.

Auch die Mitglieder des Menuhin School Orchestras waren letzten Montag ein diesbezüglich flammendes Beispiel jugendlicher Lebendigkeit. Ob im sphärischen Klangteppich von Góreckis Konzert für Cembalo und Orchester oder in den rumänischen Volkstänzen von Bartók, die Freude am Spiel und das noch (beinahe) ungezügelte Temperament hätten eine ansteckende Wirkung auf die Altersgenossen im Publikum gehabt – wenn es denn welche gehabt hätte … Leider war dem nicht so, befand sich der durchschnittliche Konzertbesuchende doch eher über als unter der Lebensmitte. Wo sind die jüngeren Semester im Publikum von klassischen Konzerten geblieben? Ist der Bezug zur klassischen Musik für Junge ohne familienbedingte Einführung und Förderung so weit entfernt, dass ihnen jede Motivation zu einem Konzertbesuch fehlt? Würde eine intensivere Gewichtung von Kunstfächern im Lehrplan der obligatorischen Schule eventuell etwas daran ändern?

«Oh, Danny Boy …»
Die zauberhaften Momente während Elgars «Chanson de Nuit», Shors «Two Songs for my Kids» oder Tabakovas «Pirin», Suite für Solo-Bratsche, zeigten wieder einmal die unendlichen Weiten von Musik. Es ist rationell schwer zu erklären, wie und warum diese magischen Momente entstehen. Sie dauern immer nur kurz, nie ein ganzes Konzert hindurch, so als würde uns – Musikern wie Publikum – ein Blick in eine normalerweise verborgene Welt gewährt. Yehudi Menuhin setzte sich dafür ein, dass dieser Blick nicht nur ein paar Wenigen, Privilegierten gewährt wird – auf dass wir noch mehr ein Beispiel daran nehmen!

Benjamin Britten war ein guter Freund von Menuhin und Mitwirkender der ersten Ausgabe des Gstaad Menuhin Festivals im Jahr 1957. Das Menuhin School Orchestra spielte als zweitletztes Werk dieses vielseitigen Konzertabends Brittens «Simple Symphony», bevor er mit der von Frederic Weatherly als «Danny Boy» vertexteten irischen Melodie «Londonderry Air» einen runden Abschluss fand. Das Orchester gibt etwa 100 Konzerte pro Schuljahr und dieses hier war das Letzte, bevor es in die wohlverdienten Semesterferien geht.

Herzliche Gratulation zum 60. und auf viele weitere Jahre!

Artikel erschienen im Anzeiger von Saanen, in der Rubrik Kultur, am 20.07.2023